* Das starke Wirtschaftswachstum in der Region schafft neue Arbeitsplätze und lockt immer mehr Menschen an. * Das schafft Opportunitäten für Immobilieninvestoren. * Bei Büroräumen überwiegt das Angebot derzeit die Nachfrage.
Es ist ein interkantonales Grossprojekt, angelegt mit einem Zeithorizont von mehr als 20 Jahren. In der Agglomeration Wil, mit 74’550 Einwohnerinnen und Einwohnern der zweitgrösste Ballungsraum der Ostschweiz, wollen die Kantone St.Gallen und Thurgau auf insgesamt rund 33 Hektaren einen attraktiven Standort für Industrie- und Gewerbebetriebe aus dem Boden stampfen und damit 3000 Arbeitsplätze schaffen. Ein Vorhaben, bei dem es bislang harzte – doch inzwischen entsteht eine neue Dynamik.
Neuer Anlauf für das Areal Wil West
Die beiden Kantone haben einen neuen Weg gefunden, um das Vorhaben zu finanzieren. Danach wird der Kanton St.Gallen zwei zusammen rund 125’000 Quadratmeter messende Flächen auf dem Gebiet Wil West für 10,3 Millionen Franken an den Kanton Thurgau verkaufen. Mit dem Geld soll die Erschliessung der ersten Teilflächen finanziert werden. Die gemeinsame Planung ist so weit gediehen, dass der Kanton Thurgau bereits einen Investorenwettbewerb vorbereitet.
Was die Kantone an dem Projekt festhalten lässt, ist der steigende Bedarf Ostschweizer Unternehmen an Industrie- und Büroflächen, auf denen sie sich zentral ansiedeln können. Etliche Firmen mussten in der Vergangenheit mangels geeigneter zentraler Areale einen Teil ihrer Produktionsstätten in diversen Orten der Region errichten. Das erschwert die Fertigung und verursacht zusätzliche Transportkosten.
Ein Beispiel dafür ist die L. Kellenberger & Co. AG. Das weltweit renommierte Unternehmen fertigte seine Präzisionsschleifmaschinen zuletzt an drei Standorten in der Ostschweiz. Der St.Galler Projektentwickler Mettler verhalf Kellenberger in einem Evaluationsverfahren zu einem optimalen Grundstück in Goldach und schuf dort einen massgeschneiderten zentralen Standort, der Ende 2023 bezogen wurde. Das bisherige Kellenberger-Areal in St.Gallen-St.Fiden mit seinen sechs Bestandsgebäuden entwickelt Mettler seither zum neuen Kubik-Quartier mit mehr als 16’000 Quadratmeter Büro-, Gewerbe- und Lagerflächen sowie mit einer Cafeteria und einer Kita. Erste Nutzer konnten ihre Räume bereits beziehen.
Sowohl im Kanton St.Gallen als auch im Kanton Thurgau ist der industrielle Sektor deutlich bedeutender als in der Gesamtschweiz. Das zeigen die jüngsten Zahlen der kantonalen Ämter für Daten und Statistik. Danach sind 34 Prozent der 147’000 Beschäftigten im Kanton Thurgau im zweiten Sektor tätig, 33,5 Prozent sind es im Kanton St.Gallen. Schweizweit hingegen beträgt der Anteil nur 23 Prozent.
Attraktiver Standort
Zudem erwägen ausländische Unternehmen, ihre Produktion in der Region auszuweiten. Ein Beispiel dafür ist die deutsche Stihl Holding mit Sitz in Waiblingen-Neustadt. Der weltmarktführende Hersteller von Motorsägen fertigt bereits in einer Zweigniederlassung in Wil Sägeketten. Jetzt erwägt das Familienunternehmen, einen bislang in Ludwigsburg geplanten neuen hochmodernen Fertigungsstandort ebenfalls im Kanton St. Gallen hochzuziehen. Die Gehälter in der Schweiz seien zwar höher, sagt deren Aufsichtsratsvorsitzender (Verwaltungsratspräsident) Nikolas Stihl.
«Die Gesamtkosten sind aber unter dem Strich niedriger als in Deutschland.» Dort seien «die Abgaben, Steuern und Energiekosten inzwischen so hoch, dass die Produktion im Hochlohnland Schweiz tatsächlich rentabler ist».
Mit dem Wachstum der Firmen entstehen weitere Arbeitsplätze in der Ostschweiz – was mehr Menschen dazu bewegt, in die Region zu ziehen. Die Zahl der ständigen Einwohnerinnen und Einwohner im Kanton Thurgau ist nach Angaben des Amtes für Daten und Statistik von Anfang des Jahres 2020 bis zum Ende des dritten Quartals 2024 von 282’080 auf 295’972 Menschen gestiegen; dies ist ein Zuwachs von 4,9 Prozent in nicht einmal fünf Jahren. Nicht berücksichtigt in den Daten sind dabei Schutzsuchende aus der Ukraine, da diese nicht zu den ständigen Einwohnern gezählt werden.
Starkes Bevölkerungswachstum
Der Kanton St.Gallen verzeichnete in seiner Statistik zu Beginn des vergangenen Jahres eine ständige Wohnbevölkerung von 535’114 Personen – 6003 mehr als zwölf Monate zuvor. «Das dritte Jahr in Folge sind mehr Personen aus anderen Kantonen in den Kanton St.Gallen zugezogen als weggezogen», vermerkt die kantonale Fachstelle für Statistik. Im Jahr 2023 kamen 314 Menschen aus anderen Teilen der Schweiz in den Ostschweizer Gliedstaat.
Die St.Galler Hauptstadt macht sich fit
Auch die Stadt St.Gallen selbst wächst kontinuierlich. Zu Beginn dieses Jahres betrug die Zahl der ständigen Wohnbevölkerung 77’768 Personen – das sind 663 Menschen bzw. 0,9 Prozent mehr als zwölf Monate zuvor. Während 8750 Personen im Jahr 2024 nach St.Gallen gezügelt sind, zogen nur 8132 Personen aus der Stadt weg. 1122 neue Einwohnerinnen und Einwohner stammten aus dem Ausland, 80 Prozent von ihnen aus dem EU-Raum. Zu den wichtigsten Zielen, die sich der St.Galler Stadtrat für dieses Jahr gesetzt hat, zählt deshalb die Revision der Ortsplanung. Es gelte, die «Grundlage für die künftige bauliche Entwicklung der Stadt» zu legen, sagt Baudirektor Markus Buschor und betont: «Ein besonderer Fokus wird auf die Arbeitsplatzgebiete gerichtet.» St.Gallen müsse ein starker Wirtschaftsstandort bleiben. «Eine Wirtschaft, die sich den Herausforderungen des Klimawandels sowie dem gesellschaftlichen Wandel und den technischen Entwicklungen stellt und dabei von Politik und Verwaltung unterstützt wird, sichert unseren Wohlstand», sagt Buschor.
Immobilieninvestorinnen sondieren den Markt Ostschweiz
Das Wachstum der Region lockt Investoren. Der Procimmo Real Estate SICAV hat mit dem Teilvermögen Industrial im Januar in St.Gallen für 18 Millionen Franken ein Industrie- Gebäude erworben. Das Investment ist Teil einer Portfolio-Erweiterung, für die im November eine Kapitelerhöhung über 93 Millionen Franken erfolgte.
Ein Grossprojekt plant die Halter AG auf dem Areal Bogenstrasse nahe des Bahnhofs von St.Gallen. Das dort bereits existierende und als schätzenswertes Gebäude mit kantonaler Bedeutung eingestufte Hochhaus soll modernisiert werden. Auf der Fläche der bisherigen Tankstelle ist ein weiterer Hochbau mit 80 Wohnungen vorgesehen. Die vorhandenen Shedhallen mit den markanten Sägezahndächern sollen für die Ansiedlung von Gastronomiebetrieben umgenutzt werden. In einem Eckgebäude schliesslich soll Raum für einen Quartierversorger im Erdgeschoss geschaffen werden und in den oberen Geschossen Kleinwohnungen entstehen.
Die Angebotsquote an Büroflächen ist gestiegen
Während der Bedarf an Wohnungen wächst, übersteigt das Volumen an Büroräumen gegenwärtig die Nachfrage. «Das Angebot an verfügbaren Büroflächen erhöhte sich in der Stadt St.Gallen im Vergleich zum Vorjahr um 14’400 Quadratmeter auf 45’300 Quadratmeter per Ende 2024», sagt Daniel Stocker, Head of Research bei der Beratungsgesellschaft JLL. «Die Quote stieg damit spürbar von drei Prozent auf 4,4 Prozent.»
Dies liegt zum einen daran, dass durch das Kubik-Vorhaben auf dem früheren Kellenberger-Standort das Angebot an modernen Büroflächen deutlich vergrössert wird. Zum anderen habe der «geringere Flächenbedarf von Versicherern und Banken ebenso einen spürbaren Teil zum Anstieg des Leerstands beigetragen», sagt Stocker.
St.Gallen ist das Finanzzentrum der Ostschweiz. Regionalbanken wie die zwischen Bodensee und Zürichsee aktive Acrevis Bank und die St.Galler Kantonalbank haben hier ebenso ihren Sitz wie Raiffeisen Schweiz, die Helvetia Versicherung und die Sozialversicherungsanstalt St.Gallen. Zudem sind national agierende Finanzinstitute in der Stadt vertreten.
Doch zuletzt hat die Branche etwas an Bedeutung für den Büromarkt in St.Gallen eingebüsst. Die Credit Suisse hat nach ihrer Übernahme durch die UBS ihren Standort an der St.Leonhard-Strasse im vergangenen November aufgegeben und ist in das UBS-Gebäude am Bahnhofplatz gezügelt. Die bisher von der früheren Grossbank genutzte Büroimmobilie beim Broderbrunnen steht seither leer. Zudem spürt der Büromarkt noch die Integrationen der früheren St.Galler Privatbanken Notenstein La Roche sowie Wegelin & Co. in das Zürcher Investmenthaus Vontobel.
Als Folge weist der St.Galler Büromarkt eine Besonderheit auf, die zurzeit – mit Ausnahme von Basel – in keiner anderen Schweizer Innenstadt zu finden ist: «Zahlreiche grossflächige Büros stehen zur Anmietung zur Verfügung», sagt Stocker. «Insgesamt gibt es momentan 17 Angebote mit mehr als 1000 Quadratmeter Nutzfläche.» In anderen Städten stehen in den Zentrumslagen zumeist nur kleinere Flächen von weniger als 500 Quadratmetern für Nutzer parat.
Siegfried Hubertus
Der für diese Plattform leicht gekürzte Artikel erschien zuerst in der März-Ausgabe des Magazins «Immobilien Business».
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