Unternehmen der Ostschweiz setzen mehr auf Chancen als der Schweizer Durchschnitt

* Laut dem Raiffeisen-«Chancenreport Schweiz 2026» erkennen Ostschweizer Unternehmen in Handelskonflikten noch stärker vor allem Chancen durch diversifizierte Lieferketten oder die Erschliessung neuer Märkte als im Landesschnitt. * Eine klare Mehrheit sieht die Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen zur EU als Mittel, um die starke wirtschaftliche Bedeutung Europas abzusichern. * Diese und weitere Besonderheiten wie etwa die höhere Gewichtung der Nachhaltigkeit hat Raiffeisen Schweiz für «Business Class Ost» ausgewertet (siehe auch Tabelle im Artikel unten).

Business Class Ost
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Veröffentlicht am

13.11.2025

 von 
Eckhard Baschek

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Chancenreport Schweiz 2026 Auswertung Ostschweiz Raiffeisen
Insgesamt nahmen 46 Ostschweizer Unternehmen an der Raiffeisen-Umfrage teil.

Die gesamtschweizerischen Ergebnisse

Die zweite Ausgabe des «Chancenreport Schweiz», eine gemeinsame Studie von Raiffeisen Schweiz und dem Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern (HSLU), zeigt: Geopolitische Spannungen und Handelskonflikte prägen das wirtschaftliche Umfeld stärker denn je. Doch Schweizer Unternehmen zeigen sich resilient und ergreifen die Initiative. Eine Mehrheit der grösseren Firmen sieht darin sogar neue Chancen. Rund 60 Prozent der Schweizer Unternehmen erkennt im fragilen Umfeld und den Handelskonflikten Chancen, etwa durch die Erschliessung neuer Geschäftsfelder und Investitionen in Zukunftsfelder. Gleichzeitig ziehen aber auch mehr Befragte als im Vorjahr einen Personalabbau in Erwägung, um sich auf mögliche Abschwünge vorzubereiten.

Gegenüber dem Vorjahr zeigt der «Chancenreport Schweiz 2026» drei zentrale Entwicklungen:
Erstens wird künstliche Intelligenz (KI) nicht mehr als Zukunftsvision, sondern als reale strategische Chance wahrgenommen. Über 60 Prozent der Unternehmen sehen in KI eine grosse oder sehr grosse Chance für ihr Geschäftsmodell, was ein Anstieg von 5,3 Prozentpunkte gegenüber 2025 (56,6 Prozent) ist. Gleichzeitig erachten nur gerade 1,3 Prozent KI als Risiko, ein deutlicher Indikator dafür, dass KI in der Unternehmenspraxis angekommen ist und als konkreter Hebel für mehr Wettbewerbsfähigkeit gilt.

Zweitens sehen die Unternehmen staatliche Eingriffe mit deutlicher Skepsis. Im Jahr 2026 bewerten 55,1 Prozent der Unternehmen staatliche Eingriffe als hohes oder sehr hohes Risiko. Dennoch besteht ein klarer Wunsch nach gezielten Massnahmen: 64,1 Prozent der Befragten wünschen sich neue oder erweiterte Freihandelsabkommen, 62,5 Prozent befürworten eine engere Anbindung an die EU, um stabile Rahmenbedingungen zu sichern.

Drittens verliert das Thema Nachhaltigkeit gegenüber dem Vorjahr an Relevanz. Nur noch 8,9 Prozent der Unternehmen sehen darin eine sehr grosse Chance. Gleichzeitig steigt die Risikowahrnehmung deutlich. Mittlerweile sieht rund ein Viertel der Befragten mehr Risiken als Chancen in diesem Bereich, was vor allem auf die zunehmende Bürokratie rund um ESG-Regulierungen zurückzuführen sein dürfte. Stattdessen rückt der Fokus stärker auf Effizienz, Digitalisierung und die Entwicklung von Fachkräften, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen der US-Zölle zeichnet die Studie ein differenziertes Bild: 40,6 Prozent der Unternehmen erwarten keine Einbussen aufgrund des neue Zollregimes. 37,5 Prozent rechnen mit einem geringfügigen Umsatzrückgang im Bereich von einem bis fünf Prozent. Besonders grössere Unternehmen reagieren flexibel, sie diversifizieren ihre Märkte, passen Lieferketten an und nutzen die geopolitischen Verschiebungen strategisch. Gleichzeitig sehen viele Firmen auch Opportunitäten: 29,7 Prozent geben an, dass sie verstärkt von ihrer Reputation als verlässlicher Partner profitieren. 25,9 Prozent gewinnen neue Kundinnen und Kunden durch die gezielte Diversifikation von Lieferketten und 15 Prozent nutzen entstehende Marktlücken strategisch. «Es ist bemerkenswert, mit welcher Flexibilität und Widerstandskraft Schweizer Unternehmen auf schwierige Situationen reagieren und wie sie den gegenwärtigen Unsicherheiten mit strategischer Weitsicht begegnen und diese als Treiber für Innovation und Differenzierung nutzen», so Philippe Obrist, Leiter Firmenkunden von Raiffeisen Schweiz.

62,5 Prozent der Befragten sprechen sich vor diesem Hintergrund für eine stärkere Annäherung der Schweiz an die EU aus, um die starke wirtschaftliche Bedeutung Europas abzusichern. Aber der Blick wird auch auf neue Wachstumsmärkte gerichtet: Insbesondere Indien und die Region Asien/Pazifik werden als relevante Märkte genannt, allerdings mit weitem Abstand zur EU. 64,1 Prozent wünschen sich neue oder erweiterte Freihandelsabkommen. «Die Botschaft der Unternehmen ist eindeutig: Sie wollen Planungssicherheit, stabile Beziehungen und weniger Regulierung, statt mehr staatliche Eingriffe», sagt Prof. Dr. Stefan Behringer, Leiter des Competence Center Controlling am IFZ.

Die besonderen Ausprägungen der Ostschweiz

Insgesamt nahmen 46 Unternehmen aus der Ostschweiz an der Umfrage teil. Dies entspricht einem Anteil von 14,4 Prozent aller 320 teilnehmenden Unternehmen.

Internationale Handelsentwicklung: Die aktuelle Entwicklung des internationalen Handels wird in der Ostschweiz deutlich risikobehafteter eingeschätzt: 45,5 Prozent der Unternehmen sehen ein hohes bis sehr hohes Risiko, gegenüber 36,7 Prozent schweizweit – ein Unterschied von 8,8 Prozentpunkten.

Nachhaltigkeitsaspekte (ESG): Die Risikowahrnehmung in Bezug auf ESG-Aspekte ist in der Ostschweiz besonders ausgeprägt: 30,5 Prozent der Unternehmen sehen hier ein grosses bis sehr grosses Risiko, während es schweizweit lediglich 16,1 Prozent sind. Umgekehrt wird ESG in der Ostschweiz seltener als Chance wahrgenommen: Nur 21,8 Prozent sehen eine grosse bis sehr grosse Chance, gegenüber 30,9 Prozent in der Gesamtheit der Befragten.

Staatliche Subventionen: Die Wahrnehmung staatlicher Subventionen als Risiko fällt in der Ostschweiz deutlich kritischer aus: 15,2 Prozent der Unternehmen sehen darin ein grosses Risiko, 13,0 Prozent ein sehr grosses Risiko. Schweizweit liegen die entsprechenden Werte bei 11,3 Prozent bzw. 7,4 Prozent. Damit ist die Risikowahrnehmung in der Ostschweiz um 9,5 Prozentpunkte höher.

Risiken durch den Handelskonflikt: In der Ostschweiz sehen 52,2 Prozent der Unternehmen ein Risiko durch höhere Zölle auf Import- oder Exportwaren, gegenüber 39,7 Prozent schweizweit.

58,7 Prozent der Ostschweizer Unternehmen empfinden die Unsicherheit über geltende Handelsbestimmungen als Risiko – 7,8 Prozentpunkte mehr als im gesamtschweizerischen Durchschnitt (50,9 Prozent).

Chancen durch den Handelskonflikt: Unternehmen in der Ostschweiz sehen im aktuellen Handelskonflikt nicht nur Risiken, sondern auch gezielte Chancen. 37,0 Prozent der Ostschweizer Unternehmen geben an, dass sie durch ihre Positionierung als verlässlicher, neutraler Handelspartner mit Umsatzsteigerungen rechnen. Damit liegt die Ostschweiz deutlich über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt von 29,7 Prozent.

Erwartete Umsatzeinbussen durch das Zollregime: Die Einschätzungen zu erwarteten Umsatzeinbussen infolge internationaler Handelskonflikte fallen in der Ostschweiz differenziert aus: Während nur 6.5 Prozent der Ostschweizer Unternehmen mit moderaten Einbussen zwischen 6–10 Prozent rechnen (gegenüber 13,1 Prozent schweizweit), erwartet ein deutlich grösserer Anteil (13,0 Prozent) stärkere Rückgänge im Bereich von 11–20 Prozent – im Vergleich zu lediglich 5,3 Prozent im gesamtschweizerischen Durchschnitt.

Weitere Themen: In den übrigen Themenfeldern (Künstliche Intelligenz, New Work, Freihandelsabkommen usw.) zeigen sich keine signifikanten Abweichungen zur gesamtschweizerischen Einschätzung.

Antworten in Prozenten Ostschweiz, Gesamtschweiz und Differenz. Diese ist in einigen Bereichen besonders ausgeprägt.
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