* Beim «Inspirationskaffee» in Heerbrugg diskutierten Persönlichkeiten der Rheintaler Immobilienbranche und Bankenvertreter über die Situation und mögliche Strategien. * Fast hundert Menschen besuchten den frühmorgendlichen Anlass, organisiert von den Raiffeisenbanken Unteres Rheintal und Mittelrheintal sowie Galledia Event. * Kernthemen waren die Zinsen und Marktkräfte, nachhaltiges Bauen, Kreditvergaben und steigende Kosten.
Die Raiffeisen-Banken Unteres und Mittleres Rheintal luden am Mittwoch, 21. Mai, in Heerbrugg zum Inspirationskaffee. Nach einem Welcome-Steh-Frühstück im Foyer ging es in in den Saal des Kino Madlen zu einem Fachvortrag und einer Podiumsdiskussion, und anschliessend gab es wieder Gelegenheit zu individuellen Gesprächen in den Räumlichkeiten.
Bereits um viertel vor sieben trafen die ersten Gäste ein, um 7 Uhr füllten sich die Räume, die Stimmung an den Stehtischen: freundschaftlich-locker. Danach ging es in den Kinosaal. Um halb acht führte Mathias Weder, Leiter Firmenkundenberatung und Mitglied der Bankleitung der Raiffeisenbank Mittelrheintal, in den Anlass ein. Das Thema der Veranstaltung: «Raum mit Perspektive – Immobilienmarkt Rheintal». Mathias Weder konnte «viel Gips und Grips» ankündigen.
Situation und Ausblick des Rheintaler Immobilienmarkts
Um halb acht begann der Vortrag von Raiffeisen-Schweiz-Chefökonom Fredy Hasenmaile, der Zins- und Marktuntersuchungen zur Immobilien-Situation in der Schweiz und im St.Galler Rheintal erläuterte (siehe ausgesuchte Grafiken am Ende des Artikels). Der Meister der Kurven und Kräfte des Markts äusserte seine Hoffnung, dass es im Verlauf des Jahres nicht zu Negativzinsen komme. Dies auch, weil die geopolitische Entwicklung weitgehend unberechenbar sei. Zumindest steuere man in der Schweiz auf Nullzinsen zu – «ein Déjà-vu auf dem Immobilienmarkt». Man stehe gewissermassen auf der Kippe. Für den Juni rechnet Hasenmaile noch nicht mit einer Senkung des hypothekarischen Referenzzinssatzes, für den September hingegen sieht er diese Möglichkeit. Jedenfalls schätzt er den Wohneigentumsmarkt im laufenden Jahr als dynamisch ein. Er lobte die Bautätigkeit im Rheintal, die höher ausfalle als der Landesdurchschnitt – eine gute Nachricht angesichts der grossen Nachfrage. Und trotz der steigenden Ansprüche ans Eigenkapital schafften es immer noch viele Haushalte, an Wohneigentum zu kommen. Auch bezüglich Rendite fand der Ökonom lobende Worte für den Immobilienmarkt im Rheintal: Die Performance sei demjenigen des (langfristig betrachteten) Aktienmarkts ebenbürtig, aber das Betongold leide weniger unter der Volatilität, schliesslich verkaufe man keine Liegenschaften nur wegen kurzfristiger Markttrends.
Wo drückt der Schuh bei den Immobilienunternehmen?
In der anschliessenden Podiumsdiskussion stellten sich der Raiffeisen-Chefökonom, Andrea Cristuzzi, Inhaberin und Geschäftsführerin der Cristuzzi Gruppe, und Matthias Hutter, Geschäftsführer der CasaInvest Rheintal AG, den Fragen des Moderators Mathias Weder. Seine erste Frage: Wo wurden Sie in letzter Zeit auf dem falschen Fuss erwischt? Für Andrea Cristuzzi war es die Geschwindigkeit, mit der die Nachfrage auf die steigenden Zinsen reagierte. Es habe sehr rasch eine deutliche Abnahme gegeben, vor allem bei älteren Objekten. Das habe viele Käuferschichten betroffen, die nicht üppig mit Kapital ausgestattet sind, und auch bei der Tragbarkeitsrechnung hätten am Ende viele ihr Projekt verschieben oder aufgeben müssen. Umgekehrt habe die Nachfrage im Windschatten der zuletzt sinkenden Zinsen auch schnell wieder an Fahrt aufgenommen. Matthias Hutter bestätigte diese Problematik – die Preisentwicklung sei teils wirklich schwer nachvollziehbar gewesen.
Andrea Cristuzzi berichtete von ihrem Eindruck, gerade junge Menschen hätten bei der Mietwohnungssuche hohe Ansprüche an die Objekte und ihre Infrastruktur, seien aber auch bereit, einen relativ hohen Anteil ihres verfügbaren Einkommens dafür aufzuwenden.
Das zweischneidige Schwert der Nachhaltigkeit
Sie und Matthias Hutter antworteten dann auf Fragen zum nachhaltigen Bauen und den Herausforderungen. Der Bedarf nach solchen Objekten und die Ansprüche hätten stark zugenommen, und dank damit einhergehenden sinkenden Nebenkosten und verlängerten «Lebenszeiten» der Immobilien bis zur fälligen Sanierung seien die Käufer auch bereit, einen Aufpreis zu zahlen. Allerdings, machte Hutter klar, müsse die Rechnung am Ende aufgehen, Nachhaltigkeit auf Plaketten und der Visitenkarte reichten nicht.
Baugesuche werden zum Geduldsspiel
Ein Reizthema in der Podiumsrunde waren die Baubewilligungsverfahren bzw. die Kosten dafür – Stichwort Basel III. Weil die Prozesse immer komplizierter würden, etwa durch den Einbezug kantonaler Stellen nach einer Abklärung durch die Gemeinde, reize jedes Amt die Fristen jeweils aus, und durch die Summe dieser «Silos» verzögerten sich die Bewilligungen teils massiv. Das wiederum erhöhe die Kosten von Immobilienprojekten empfindlich. Aber damit habe man inzwischen teilweise auch gelernt umzugehen. So empfahl etwa Matthias Hutter, bereits bei den Bodenpreisen achtsam zu bleiben. Seien diese zu hoch, könne man wegen der ständig steigenden Kosten am Ende teils keine gute Rendite erwirtschaften.
Wie weiter in der Branche?
Was den Umgang mit den Banken angehe, erklärte Hutter, man sei froh, zu ihnen eine langfristige und gute Beziehung zu haben. Wichtig sei ein gutes Vertrauensverhältnis sowie genügend gegenseitige Transparenz. Für Banken-Neukunden sei es schwieriger, das Vertrauen der Geldgeber zu gewinnen. Fredy Hasenmaile verwies darauf, dass es im Umfeld von Basel III noch mehr erschwerende Faktoren gebe, etwa die erhöhten Liquiditätsansprüche, und das verteuere auch die Kreditvergabe, denn die liquiden Mittel müssten parkiert werden und könnten nicht investiert werden.
Zum Schluss wurde Fredy Hasenmaile gebeten, den beiden Unternehmenspersönlichkeiten einen Rat mit auf den Weg zu geben. Er antwortete, es sei gut, «hierzubleiben», also seine lokalen und regionalen Stärken auszuspielen. Externe Anbieter hätten immer wieder Schwierigkeiten, den hiesigen Markt zu durchschauen. Gerade in komplizierten (und komplexen) Zeiten sei es gut, sich untereinander, auch auf menschlicher Ebene, zu kennen, auf ein starkes Netzwerk zählen zu können.
Dieses Netzwerk stärkte sich auch bei den fast hundert Teilnehmenden. Und einige werden sich vermutlich am 9. Inspirationskaffee am Mittwoch, 27. August 2025, wiedersehen.
«Business Class Ost» führte im Vorfeld der Veranstaltung ein Interview mit Andrea Cristuzzi und Matthias Hutter, das man hier nachlesen kann. Hier der Link zur Veranstaltung.
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Hier ausgewählte Grafiken aus dem Vortrag von Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz:
* Das Vergleichsportal Moneyland fragte 1500 Bankkundinnen und -kunden, wie zufrieden sie mit den Angestellten ihrer Bank sind. * Aus Ostschweizer Sicht stechen Raiffeisen und die SGKB mit den Plätzen 3 bzw. 5 bei der Freundlichkeit heraus. * Bei der allgemeinen Zufriedenheit steht Raiffeisen auf Platz 4.
* «Bauernzeitung»-Redaktor Livio Janett äussert sich kritisch und ausgewogen zur PFAS-Diskussion: * In der Ostschweiz seien Landwirte an den medialen Pranger gestellt worden, die kaum Schuld an den PFAS-Belastungen seien. * Trotzdem: Lebensmittel müssten strengen, aktualisierten Richtlinien entsprechen; alles andere führe zu Vertrauensverlust.
* Der Verein Region Toggenburg hielt seine Delegiertenversammlung in Lichtensteig ab. * Präsident Kilian Looser ist von seiner Region überzeugt und belegt es mit Zahlen. * Das Toggenburg müsse sich nicht hinter anderen Regionen verstecken.