* «Breaking the Rules» lautet das Leitthema des WTT Young Leader Awards 2025. * Einer, der die Kunst des Regelbruchs beherrscht, ist der Mitinhaber und Verwaltungsratspräsident der Globetrotter Group, die zwölf Reiseunternehmen umfasst: André Lüthi hält Ende Oktober das Award-Referat «Erfolg kommt nicht von folgen» in der Tonhalle St.Gallen. * Im Interview gibt er Einblicke.
André Lüthi, Ende Oktober sind Sie Award-Referent am WTT Young Leader Award in St.Gallen. Das Leitthema lautet «Breaking the Rules». Wann haben Sie das letzte Mal Regeln gebrochen?
André Lüthi: Kürzlich hat an einem Kongress mein Vorredner Businesspläne thematisiert. Ich erlaubte mir danach mit einem Schmunzeln aufzuzeigen, dass ich nicht so viel halte von den «Excel-Taliban» im Geschäftsleben.
Ein anderes Beispiel: Vor einiger Zeit ging es um eine weitere Firmenakquisition. Die Zahlen und die Marktlage sprachen für eine Übernahme, doch mein Bauch sagte mir irgendwie nein – also haben wir die Verhandlungen abgebrochen.
Was sagte Ihr Bauch genau?
Das kann man eben nicht definieren. Bauch ist Bauch. Womöglich hat es mit den Menschen vis-à-vis zu tun. Ich machte schon den Fehler, eben nicht auf den Bauch zu hören – und bereute es später.
Animieren Sie Ihre Mitarbeitenden bei der Globetrotter Group, auch Regeln zu brechen? Wann ist es bei Globetrotter angebracht?
Für Mitarbeitende mache ich ein Beispiel: Wenn eine Kundin kommt, drei Wochen verreisen will und eine Liste mit acht Ländern mitbringt, könnten wir ein gutes Geschäft machen. Doch bei uns arbeiten 360 Leute, die ihre Leidenschaft zum Beruf machten. Sie leben eine Kultur des «Reiseglücks». Wir hinterfragen: Willst Du das wirklich, acht Länder bereisen? Nicht der schnelle Umsatz hat Priorität, sondern das persönliche Glück der Reisenden. Das ist bestes Marketing: Diese Kundinnen und Kunden erzählt weiter, dass wir ihnen vom Bereisen zu vieler Länder in kurzer Zeit abgeraten haben.
Wie kommt man zu so leidenschaftlichen Mitarbeitenden? Wie rekrutieren Sie?
Früher galt die Voraussetzung: Bewerberinnen und Bewerber müssen drei Kontinente bereist haben. Das können wir heute nicht mehr durchziehen. Wir sind auch zufrieden, wenn sich Bewerberinnen oder Bewerber auf zwei Kontinenten gut auskennen. Zudem darf man auch bei der Rekrutierung Regeln brechen: Hat jemand noch keine Reisebüroerfahrung, heisst das nicht, dass sie oder er per se abgelehnt ist. Spannende Persönlichkeiten sind willkommen. Bei uns haben nur 14 Prozent die klassische Reisebürolehre gemacht. Es gibt viele Mitarbeitende, die lieber eine Lohneinbusse in unserer Branche akzeptieren, dafür ihre Leidenschaft zum Beruf machen. Bei uns gibt es neben fünf Wochen bezahlten Ferien auch jährlich bis zu sieben unbezahlte.
Was ist gerade der «letzte Schrei» auf dem Reisemarkt für verantwortungsbewusste Reisende?
Zunächst muss man sagen, dass wir aktuell auf Vorjahreskurs sind. Die Nachpandemie-Jahre 2023 und 2024 liefen gut. Erfreulich ist, dass sich auch viele Junge wieder für längere Reisen begeistern lassen. Japan und Sri Lanka sind sehr beliebt, Ozeanien und Südostasien laufen gut. Afrika ist mit Ländern wie Namibia, Botswana, Simbabwe oder Sambia seit einigen Jahren im Trend. Wer schon in Australien oder Nordamerika war, hat danach oft den Mut für eine Afrikareise. Der US-Markt ist momentan etwas eingebrochen. Das hat einerseits mit der aktuellen Regierung zu tun. Andererseits ist das Land auch teurer geworden.
Der Globetrotter Travel Service, eine der zwölf Firmen der Globetrotter Group, hat 16 Standorte – einen davon an der Merkurstrasse in St.Gallen. Was macht den Reisemarkt in der Ostschweiz aus?
Ostschweizer verreisen besonders gern länger, also für zwei bis drei Wochen – lieber zwei Mal im Jahr eine Ferndestination als fünf kurze Städtetrips. In unserem Reisebüro in St.Gallen sind Australien und Neuseeland sehr beliebt. Ostschweizer sind Modellreisende für unsere Philosophie. Sie sind sehr interessiert, wollen einen Ort in seiner Tiefe erleben und bereiten sich akribisch auf ihre Reisen und die dortige Kultur vor. Das lohnt sich, denn so kann man viel lernen. Ostschweizer sind entsprechend beratungsintensiv, aber sehr dankbar. Wir erhalten viel Feedback von ihnen.
Wie ist Ihr Reisebüro in St.Gallen aufgestellt?
Dort arbeiten acht Vollzeitleute und eine Lernende. Drei sind schon über 25 Jahre dabei, drei weitere über zehn Jahre. In puncto Mitarbeitendentreue ist die St.Galler Filiale die Nummer eins in der Schweiz. Unsere Stammkundschaft weiss das zu schätzen. In St.Gallen läuft viel über Mund-zu-Mund-Propaganda. Man empfiehlt uns bei Arbeitskollegen oder im Sportclub weiter. Wir investieren einen schönen Teil der Marketinggelder in unsere Kundinnen und Kunden sowie in die sozialen Medien. Glückliche Kunden reden über uns.
Wie treffen Sie die aktuellen geopolitischen Unsicherheiten?
Nine-Eleven, Luxor, Vulkane, Corona – unsere Branche durchlief schon viele Krisen. Aber die Leute vergessen rasch. Sie reisen auch trotz Konflikten und passen ihre Routen einfach an. Aber viele Kunden bereuen, dass zurzeit nicht alles möglich ist: Der Iran ist beispielsweise ein grossartiges Land – seine Menschen, die Kultur, die Gastfreundschaft.
Welche Reise prägte Sie am stärksten?
Meine erste – als Autostopper in Bern-Wankdorf mit einem Schild in der Hand «San Francisco»! Die meisten hielten mich für verrückt, mit kaum Geld in der Tasche auszubrechen. Doch es war eine unbezahlbare Erfahrung. Auf dieser Reise konnte ich auch das Schicksal und die Kultur der Navajo- Indigenen näher kennenlernen – was mich nicht mehr losliess. Und so konnte ich mit viel Glück diese Faszination für andere Kulturen zu meinem Beruf machen.
Was bringt Ihnen das heute?
Ich lernte Zuversicht. Es gibt immer einen Weg. Während der Pandemie sagte ich unseren Leuten: Wir schaffen das. Wir werden Schäden und Verluste erleiden, aber wir bringen das Schiff durch den Sturm. Ich war so sicher. Die Zuversicht schöpfte ich aus meinen Reisen.
WTT Young Leader Award
Am Mittwoch, 29. Oktober, tritt André Lüthi am WTT Young Leader Award auf mit seinem Referat «Erfolg kommt nicht von folgen». In der Tonhalle St.Gallen werden die besten Wirtschaftsstudierenden der OST – Ostschweizer Fachhochschule mit ihren Praxisprojekten ausgezeichnet. Das Leitthema heisst «Breaking the Rules».
Infos: www.ost.ch/yla
* Der Captain des FC St.Gallen 1879, Lukas Görtler, organisiert gemeinsam mit dem FCSG einen besonderen Event am 2. Oktober im kybunpark (Tickets unter fcsg.ch/deichmann). * Extremsportler Jonas Deichmann wird einen inspirierenden Vortrag über seine spektakulären Abenteuer halten. * Deichmann absolvierte beispielsweise in 120 Tagen in Folge 120 Triathlons.
* Wie können Führungskräfte Spannungen erkennen und effizient lösen sowie die Beziehungen im Unternehmen stärken? * Expertin Michaela Hebsacker bietet beim Inspirationskaffee am 27. August ab 7 Uhr im Restaurant s’Madlen in Heerbrugg Einblicke, um Konflikte gewinnbringend zu managen. * Im Anschluss gibt es eine Talkrunde mit Cheryl Bossi, Geschäftsführerin Divina Textil AG, und den beiden Co-Sportchefinnen des FC-St.Gallen-Frauenteams Patricia Willi und Sandra Egger.
* Am 26. September wird St.Gallen geht die Digital Conference Ostschweiz in die dritte Runde. * Ein Teil ist die Verleihung des Awards «Digital Shaper Ostschweiz 2025». * Organisiert wird die Konferenz im Einstein Congress in St.Gallen von IT rockt!, dem Unternehmermagazin «Leader» und east#digital.